Köttbullar, Ikea und Plastik im Baum
Der zweite Tag hier im Norden geht jetzt fast zu Ende und morgen ist mein erster Tag im Büro. Aber ich glaube ich fange noch etwas früher an.
Am Donnerstag stellte ich mich vor die etwas utopische Aufgabe aus meinem Sammelsurium von Kleidern und allerlei Krimskrams (auch mein Zimmer genannt) das Nötigste herauszusuchen um meine Sachen für 7 ½ Monate Schweden zu packen. Gesagt getan, kurze Zeit später sehe ich mich also vor einem großen Berg an Sachen wieder. Auf der anderen Seite: Mein Rucksack. War der schon immer so klein? Mit all meinen Packkünsten, die ich mir so über die Jahre als Pfadfinder und drei Jahre im Internat angeeignet habe, schaffte ich es tatsächlich alles irgendwie in meinem 55l Rucksack und einer kleinen Sporttasche zu verstauen. Mit nur 18 Kilo im Gepäck war ich schon etwas beruhigter als vorher. Die ganze Sache mit mir, Schweden und dem Freiwilligendienst sollte also wirklich losgehen. Ich habe ja auch erst seit April letzten Jahres auf diesen Punkt gewartet. Den Flug hatte ich schon seit etwa 10 Tagen, alles also eine langfristig geplante Sache. Und mit den ganzen Informationen, die ich so bekommen hatte, wusste ich natürlich auch haargenau, was mich so erwarten würde. Kurzum: das, was ich vorhatte als Fahrt ins Ungewisse zu bezeichnen wäre schlichte Untertreibung.
Aber hätte ich mich auf das alles eingelassen, wenn es nicht genau das Ungewisse wäre, was ich so faszinierend und spannend finde? Eben. Deswegen war ich auch recht frohen Mutes, etwas müde und leicht erkältet als es Freitagmorgen um 7:00 zum Flughafen ging. Der Flug über Berlin nach Stockholm sollte dieses Mal etwas kürzer sein, als mein letzter ans andere Ende der Welt. Knappe drei Stunden nach Abflug stand ich schon am schwedischen Flughafen und suchte auf dem Gepäckband nach meinem Rucksack, oder zumindest etwas, dass danach aussah. Zu meiner Überraschung kam er sogar als eines der ersten Gepäckstücke heraus und noch dazu in einem Stück, inklusive Schlafsack (der war außen befestigt zur Skepsis der Flughafenangestellten, die meinten, dass er wohl besser sehr gut befestigt sei). Draußen wurde ich auch schon von Anders Andersson (kein Witz, aber keine Sorge es soll wohl auch noch andersnamige Schweden geben) in Kluft und Halstuch erwartet. Im etwas klapprigen und weniger-aufgeräumten Kombi ging es dann von Arlanda (von wegen Stockholm, das ist ungefähr so nah, wie die Innenstadt von Frankfurt am Flughafen Frankfurt-Hahn) nach Örebro. 210 km auf einer Straße mit einer Maximalgeschwindigkeit von 100km/h – genug Zeit also um sich zu unterhalten. Den guten Englischkenntnissen der Schweden sei Dank, ging dies allerdings wirklich ganz gut. Ich habe auch so eine ungefähre Ahnung davon bekommen, wie so meine Arbeit aussehen wird. Wie gesagt handelt es sich nur um eine Ahnung und deswegen werde ich dazu erst einmal nichts schreiben, bis ich genaueres weiß. Etwa gegen 15:00h erreichten wir Örebro. Ein Städtchen mit etwa 120 000 Einwohnern, einer Universität und einem eigenen Stadion. Ich war doch schon etwas gespannt, wie es in meiner Wohnung aussehen würde. Ich wusste, dass ich in einem „Haus“ mit mehreren Freiwilligen untergebracht sein würde. Ich wusste nicht, dass es ein Hochhaus mit 6 Stockwerken und sehr sehr vielen Wohnungen sein würde. Von den besagten Freiwilligen habe ich auch noch nichts gesehen. Aber angeblich soll es die hier wohl geben. Ich bin ziemlich zufrieden mit der Wohnung, ich fühle mich auch schon richtig wohl hier, wie ich so auf Stefan sitze, mein Buch liegt auf Lack und bald werde ich sogar einen Fernseher bekommen, den kann ich dann auf Flärke stellen, den hab ich gestern zusammengebaut. Unschwer zu erkennen: hier ist alles von Ikea und hat somit immer einen tollen Namen. Bei manchen Sachen weiß ich immer noch nicht so recht, ob es jetzt Name für oder der Sache selbst sein soll, aber vielleicht werde ich mit meinen hoffentlich bald vorhandenen schwedisch Künsten ja dahinter kommen. Zum Apartment sage ich jetzt nicht viel mehr, ihr könnt euch ja ein eigenes Bild davon machen und es euch einfach anschauen:
Am Abend wurde ich dann von meinen zwei „Arbeitskolleginnen“ Sandra und Ellen abgeholt. Sie sind 21 und 20 und arbeiten zusammen mit mir im Büro. Ich werde mich wohl an einigen ihrer Projekte später beteiligen. Sandra wohnt ein Stockwerk über mir und bei ihr sollte es Abendessen geben. Ihre Wohnung ist etwas größer als meine, dafür auch für solche Zwecke etwas besser geeignet. Schnell gings also noch zu ICA, dem schwedischen REWE, der hier direkt gegenüber ist. Zum Essen kamen auch noch Ola und Olof, zwei Freunde, Pfadfinder und Mitarbeiter. Wieder war ich überrascht über das gute Englisch, das wohl hauptsächlich von den unsynchronisierten Filmen und Fernsehsendungen stammt und so wurde es ein sehr unterhaltsamer Abend (wortwörtlich ). Am Samstag zeigten mir die vier noch die wichtigsten Plätze Örebros (McDonalds, Burger King, ein paar andere sehr gute Cafés und einen Musikladen). Nach einem gemeinsam Fijka (so was wie der „Afternoon Tea“ bei den Engländern) machte ich mich weiter daran meine Ikea Möbel zusammen zu zimmern und meinen ersten Einkauf zu erledigen. Ich kann gar nicht erwarten, dass mein schwedisch-Kurs anfängt. Es gibt nichts Schlimmeres als stets darauf gefasst sein zu müssen auf einer Sprache angesprochen zu werden, die man nicht im Geringsten versteht und mit einem etwas dümmlichen Lächeln ein „sorry?“ hervorzustammeln. Die Kassiererin im Supermarkt muss so was Ähnliches gedacht haben als sie mich gefragt hat, ob ich Kleingeld wechseln möchte. Ich habe es aber trotzdem geschafft aus dem Gewirr von Ös, Ys und Doppelkonsonanten etwas Essbares zu finden. Die vermeintlich vegetarische Bratkartoffelpfanne stellte sich zwar als Bratkartoffeln mit klein gehackten Köttbullar (Hackbällchen, größtes Exportprodukt Schwedens) heraus, war aber trotzdem lecker. Das ist auch gut so, denn die wird es die nächsten Abende auch geben, ich habe nämlich dummerweise festgestellt, dass ich hier keinen Gefrierschrank habe.
Heute, am Sonntag, machte ich mich dann auf eigene Faust los, um Örebro etwas genauer zu erkundigen. Die anderen sind heute für eine Woche Skifahren gegangen und konnten mich deswegen nicht begleiten. Nach etwa drei Stunden habe ich jetzt auch einen ungefähren Orientierungssinn von der Stadt bekommen (Hä? Wo bin ich denn jetzt bitte!? Erstmal auf die Karte gucken… hm, die Straße gibt’s irgendwie nicht… naja, egal). Gegen halb vier wurde es auch schon wieder dunkel, sodass ich mich nach einem kurzen Einkauf von Tee, Honig und Tomatensoße zum Spottpreis von nur etwa 6 Euro wieder nach Hause begab. Mit wunderschönem Blick auf die Betonwand des Einkaufsladens hier gegenüber vor dem ein kahler Baum steht, in dem idyllisch irgendwelche Plastikstreifen im Winde wehen, sitze ich hier also und schreibe meinen ersten Blogeintrag. Der wird morgen früh auch gleich hochgeladen. Noch habe ich leider kein Internet und in dem ganzen Haus gibt leider auch niemanden, der vergessen hat sein WLAN Netzwerk zu verschlüsseln, aber im Büro gibt es ein WLAN Netzwerk, das ich für meine unheiligen Zwecke nutzen werde. Es wird wohl noch etwa eine Woche dauern, bis ich mir ein Telefon und Internetanschluss besorgen kann, denn Dienstag geht es erstmal auf ein Seminar nach Stockholm, dass für alle Freiwilligen des EFD (=Europäischer Freiwilligendienst) verpflichtend ist. Es stehen also noch vier Tage in der Hauptstadt an, bis ich wirklich mal anfangen kann zu arbeiten.
Ich hoffe dem Rest der Welt geht es ebenso gut wie mir, über Kommentare und nette E-mails freue ich mich immer
Keep it real
.