Bewegt dazu hat mich ein eher weniger erfreuliches Ereignis. Erst durch meinen Fahrlehrer habe ich heute von einem erneuten Amoklauf in einer deutschen Schule gehört. Ich fand es zunächst erschreckend, dass sowas einfach an mir vorbei gegangen ist, wer weiß wann ich sonst davon erfahren hätte. Ich habe mich daraufhin (nach meiner etwas miserablen Fahrstunde [hups]) mal etwas über die Tat informiert. In den Zeitungsartikeln wird sich immer auf den Abschiedsbrief des Schülers berufen, den er im Internet veröffentlicht hat. Versucht man selbst ein paar Originaltexte zu lesen, stößt man jedoch nur auf zensierte oder geschlossene Seiten. Ich habe trotzdem eine Seite gefunden, die der Ansicht war, man sollte diese Informationen nicht unter Verschluss halten und die eine Kopie des Briefes veröffentlicht hat (Für die, die es interessiert: http://zensuristfalsch.tripod.com/index.html ) Ich habe mir den Brief durchgelesen und wollte daraufhin meine Gedanken hierzu aufschreiben.
Im Grunde kann man wieder die gleichen Dinge sagen, wie man sie nach einem jeden solchen Vorfall sagen kann: Erschütternd, dass niemand vorher etwas gemerkt hat, warum hat niemand etwas unternommen?, was war nur los mit dem Jungen?
In Wahrheit ist es doch aber so, dass man es fast nicht nicht merken konnte, dass etwas nicht gestimmt hat. Wer so oft und so viel darüber schreibt, dass er von allen gehasst wird und dass sich dieser Hass in gleichem Maß in ihm ansammelt und irgendwann auszubrechen droht, kann doch eigentlich nicht mehr als ungefährlich eingestuft werden. Nur die Menschen, die etwas hätten ausrichten können, haben wahrscheinlich die Augen verschlossen, so wie es eigentlich immer ist, aus Angst vor Unannehmlichkeiten und der Wahrheit, dass das Leben eben nicht immer ein Ponyhof ist... Aus dem Abschiedsbrief geht hervor, dass er Hilfe wahrscheinlich im ersten Moment nicht akzeptiert hätte ("Niemand darf in mein Leben eingreifen"), hätte sie wahrscheinlich als Eingriff in sein Leben und seine Freiheit gewertet, aber dennoch hätte man nicht nachgeben dürfen. Jetzt schaut die ganze Welt betroffen zu Boden und die einzige Konsequenz, die gezogen wird ist, dass ein, zwei Politiker sagen "ich habs doch gewusst, das sind die Pc spiele!" Bringt es aber etwas, PC Spiele zu verbieten? Diese sind letztlich nur Ventil für angestaute Aggressionen, ernsthafte Persönlichkeits- und Selbstwertstörungen. Die Spiele zu verbieten würde nicht den Kern des Problems treffen, sozusagen die Schmerzen lindern aber die Krankheit nicht heilen. Wenn sich jemand Gedanken machen würde, ob es nicht sinnvoller wäre die bereits vorhandenen Jugendberatungsstellen auszubauen, zu unterstützen und mehr in den Vordergrund zu rücken, dann wäre meiner Meinung nach etwas getan, was einer Prävention solcher Gewaltakte für die Zukunft auf realistische Weise näher käme. Denn solche Beratungsstellen werden von Jugendlichen durchaus angenommen - selbst von besagtem Amokläufer!
Abgesehen davon denke ich, dass es falsch ist, nur begrenzt Informationen über die Hintergründe dieses Attentats herauszugeben. Natürlich kann ich die Angst vor Nachahmungstätern, die durch dieses Material bestärkt werden könnten verstehen, aber dennoch wird so nur ein Teil des Bildes gezeigt. Das wahre Motiv der Tat wird hier eher verschleiert, Sebastian B. wird zu einem von vielen, jemand, der mit seinem Leben nicht klar kam. Dass er aber einfach nur Wünsche und Probleme hatte, wie sie auch jeder andere Jugendliche in seinem Altern hat, wird hierbei nicht erwähnt, er war nur der gehänselte, wegen seinen Kleidern verspottete. Sicher ist dieser Punkt zutreffen, aber letztlich ist er nur ein Faktor von vielen, der zu seiner Lage beigetragen hat ("Als ich dann 1998 auf die GSS kam,
fing es an mit den Statussymbolen, Kleidung, Freunde, Handy usw.").
"Ich habe in den 18 Jahren meines Lebens erfahren müssen, das man nur Glücklich werden kann, wenn man
sich der Masse fügt, der Gesellschaft anpasst. Aber das konnte und wollte ich nicht. Ich bin frei! "
Dieser Wunsch, seine Individualität auszuleben, nicht im Strom der Masse unterzugehen und vorgeschrieben zu bekommen was man zu tun und zu lassen hat - das ist kein Wunsch eines psychisch kranken Amokläufers, diese Gedanken hegt jeder einmal früher oder später. Dadurch, dass man es dem Bürger jedoch unzugänglich macht, so direkt zu erfahren, was diesen Jungen dazu bewog, besagte Tat zu tun, macht es ihm auch nicht möglich zu verstehen, dass es durchaus "menschliche" Züge an Sebastian B. gab und rückt ihn nicht mehr als "kranker Amokläufer" in die Ferne. Seine Tat ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man nicht mehr Herr seiner Gefühle ist und als einzigen Ausweg Hass und Gewalt sieht. Allerdings werden sich wahrscheinlich auch nur die wenigsten beschweren, dass man den Brief nicht mehr lesen kann, wahrscheinlich weil man Angst davor hat, seine eigene Meinung und Ansichten zumindest zum Teil in diesem Brief wiederzufinden. Ist man nämlich dann selbst kurz davor ein Amokläufer zu werden? Steckt dieser Hass auch in einem selbst und sollte man deswegen besser die Augen davor verschließen und besser nichts tun? Nein, es zeigt nur, was passiert wenn man selbst nicht seine wahren Gefühle offenbart und Hilfe sucht, wenn man sie braucht. Außedem zeigt es, dass man auf sich und die Menschen in seiner Umgebung Acht geben sollte. Es hat keinen Wert sich nur mit sich selbst in seiner eigenen Welt zu beschäftigen und auch möglichst nichts vom Leben anderer erfahren zu wollen. Hätten ein paar Menschen, die sich in Sebastian Bs Umfeld bewegt haben so gedacht, hätte ihm vielleicht geholfen werden können. Er wollte leben und musste dafür sterben - ein trauriges Schicksal, an dem jedoch meiner Meinung nach etwas hätte verändert werden können!
Ich wollte hier mal etwas anders posten, als einfach etwas darüber, was ich gerade so mache. Eigentlich habe ich diesen Blog mit der Intention erstellt, hier von Zeit zu Zeit ein paar Gedanken zu posten - womit ich jetzt mal angefangen habe.
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